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Von Santiago zum Nordkap: Tag 148 – Hietanen – Äkäslompolo ca. 74 km/8153 km
„You don’t like moskitos?“
Endlich mal wieder ausgeschlafen! Wir haben einen günstigen Schattenplatz für unser Zelt bekommen und wachen erst um 8:30 Uhr auf. Während wir in der Grillkota unserer Gastgeber frühstücken, verabschieden sie sich in vollstem Vertrauen von uns mit reichlich guten Wünschen und machen sich anschließend auf den Weg nach Rovaniemi, ein Tagesausflug.
Am späten Vormittag sind wir wieder auf der Straße und es dauert nicht lange, da werden wir wieder von sehr, sehr vielen Bremsen umschwärmt. Man kann sie nicht zählen, weil sie wie Desorientierte um uns herum schwirren. Ich schätze die Anzahl allerdings auf 15-20 „Follower“. Irgendwann steht der Grund für die vielen Viecher vor uns auf der Straße: Ein Rentier. Es guckt, es piescht und verschwindet dann im Galopp im Wald. Je mehr große Tiere in der Umgebung sind, desto mehr Bremsen gibt es. Josi bekommt eine Krise nach der anderen, flucht wie ein Rohrspatz und versucht, den Bremsen zu entkommen. Ich ziehe mir eine langärmlige Jacke an und bleibe in meinem Tempo. Abgesehen davon, kann ich auch gar nicht schneller fahren, da meine Kraft dafür nicht ausreicht. Meine Beinchen fühlen sich schon wieder ganz schön angestrengt an….
Nach dem großen Einkauf setzen wir uns auf eine Bank hinter einem Bushäuschen in den Schatten. Für diesen Moment haben wir immerhin Ruhe vor all den Bremsen. Wir beobachten einen Bikepacker, der auf der anderen Straßenseite angehalten ist und scheinbar nach dem richtigen Weg schaut. Als er sich umdreht, winken wir ihm zu und er kommt zu uns gefahren. Wir bieten ihm direkt einen Kaffee an, den er dankend annimmt. Es entsteht ein regelrechter „Kaffeeklatsch“ und wir erzählen uns gegenseitig unsere Erlebnisse. Norbert ist auch zum Nordkap unterwegs, läuft Marathon, hat schon einige Radreisen hinter sich und ist bereits den Camino Portugues zu Fuß gegangen, den Francais hat er mit dem Fahrrad absolviert. Die Zeit vergeht mit ihm wie im Flug und als wir wieder aufbrechen wollen, ist es bereits 17:40 Uhr und 2,5 Stunden sind vergangen.
Gerade machen wir noch ein gemeinsames Foto, da kommt ein weiterer Radreisender um die Ecke zu uns. Norbert sagt: „Da ist ja mein Belgier.“ Die beiden haben sich schon auf dem letzten Campingplatz kennengelernt und Norbert hatte uns von dieser Begegnung mit Angelo erzählt. Schnell entsteht eine ausgelassene Stimmung, die mich ein wenig an die Momente auf dem Camino erinnern. Viele Menschen haben dasselbe Ziel, das verbindet. Angelo schließt sich uns an und Norbert fährt alleine weiter, denn er hat ein ziemlich sportliches Tempo drauf, bei dem höchstens Josi mithalten könnte. Angelo hingegen ist auch ein „Slowtraveler“.
Auf geht’s zu dritt und bald sind wir wieder zu fünfzigst, denn die Bremsen lassen einfach nicht locker. Ich habe inzwischen auch eine Hose an und fühle mich dadurch nicht zu belästigt, aber Josi wird zunehmend panischer. Wir stoppen mitten an der Hauptstraße und Angelo schneidet ein paar Zweige ab, um durch das Wedeln die Bremsen fernzuhalten. Währenddessen kann Josi ihre lange Hose aus ihrer Tasche holen, ohne zu sehr belästigt zu werden. Ein Mann hält an, steigt aus dem Auto und fragt: „You don’t like moskitos?“ Ein verständnisvolles Schmunzeln huscht über sein Gesicht. Er fragt natürlich auch, ob alles in Ordnung sei, und zeigt uns sogar eine Unterkunft auf seinem Smartphone. Diese ist jedoch noch zu weit entfernt. Die Unterkunft gehört ihm scheinbar und auf dem Weg zum Nordkap kommen viele Radfahrer dorthin. Als er sich verabschiedet und zurück zu seinem Auto geht, sehen wir, dass ihm das Blut an den Beinen herunterläuft, weil ihn offenbar mehrere Bremsen gebissen haben. Er kümmert sich aber gar nicht darum, während wir immer noch wild herumfuchteln.
Mit dem Zweigwedel und langer Kleidung lässt es sich besser aushalten. Es ist schon spät geworden und zum Glück hält die Belästigung der Bremsen nicht mehr lange an. Der ausgewählte Schlafplatz entpuppt sich leider als Flop und so müssen wir 6 weitere Kilometer in Kauf nehmen, um zum nächsten Campingplatz zu kommen. Gegen 22 Uhr werden wir hier sogar noch empfangen. Der Abend wird durch Pasta mit Linsenbolognese und verschiedenen tollen Gesprächen in der Küche abgerundet. Um Mitternacht gehen wir bei strahlendem Sonnenschein schlafen.