Überspringen zu Hauptinhalt

Von Santiago zum Nordkap: Tag 19 – Monesterio  – Castilblanca ca. 66km/942km

Zwei neue Leben

Nachdem die Herbergsmutter uns gestern Abend noch den Ofen angemacht hat und wir es uns in dem warmen, gemütlichen Aufenthaltsraum haben schmecken lassen, folgte auch eine sehr angenehme Nacht.

Nicht komplett regeneriert, aber erholt wachen wir vor dem Weckerklingeln auf. Heute wird zuerst gepackt und danach gefrühstückt. Ein weiterer Pilger aus Spanien gesellt sich zu uns und erzählt allerhand von den verschiedenen Jakobswegen. Er erzählt uns auch die Geschichte, warum die wegweisenden Pfeile auf den Caminos gelb sind: Es gibt nämlich ein galicisches Dorf, in dem sich immer wieder Pilger*innen verlaufen haben, weil der Weg nicht ausreichend gekennzeichnet war und das Straßennetz dort verwirrend ist. Deshalb bat die Gemeinde 1985 beim Staat um Farbe, um die „richtigen“ Straßen für die Pilger*innen durch den Ort zu kennzeichnen. Sie bekamen dafür gelbe Farbe und malten die Straße damit an. Seitdem hat sich das Gelb für die Pfeile und Muschelzeichen durchgesetzt.

Der Anfang unserer heutigen Wegstrecke ist leicht, denn es geht 10 km bergab! Wir sind froh, dass wir gestern den schweren Teil schon bewältigt haben, zumal unsere Beine noch sehr müde sind. Neben der schönen Landschaft sehen wir eine urbane Kirche, die von den Einheimischen auch „Ufo“ genannt wird. Mehrere Pilger*innen kommen uns heute entgegen. Scheinbar ist die Saison für die Via de la Plata nun eröffnet. Die Piste schlängelt sich sanft durch die hügelige Landschaft mit den Blumenwiesen, den Olivenbäumen und Korkeichen. Tiere grasen dort und eine Viehherde wird an uns vorbei getrieben.

Kurz vor unserer Mittagspause entdeckt Josi auf einer Weide eine Ziegenmama, die gerade Zwillinge geboren hat. Das erste kann schon auf wackeligen Beinen ein paar Schritte gehen und das Zweite hat noch große Mühe, auf alle vier Beinchen zu kommen. Wir beobachten bestimmt 20 Minuten dieses Ereignis und ich halte sogar zwischendurch die Luft an, weil es so spannend ist, ob und wann das Kleine es schafft hochzukommen, um bei der Mama zu trinken. Die Mama säubert und liebkost die Kleinen immer wieder und ermuntert sie. Schließlich hat das Kleine es endlich geschafft und wir fahren Glück erfüllt von diesem schönen Ereignis weiter.

Nach der Mittagspause in einem Dorf auf einer Bank an einem Denkmal geht es direkt bergauf. Die letzten 30 km heute sind sehr gemischt. Es geht durch einen riesigen Naturpark und die Umgebung ist von daher sehr schön. Die schmale, kaum befahrene Landstraße ist wie ganz viele aneinander gereihte Skateboardrampen. Manchmal reicht der Schwung von oben aus, um über die nächste Kuppe zu kommen, aber oft müssen wir noch ordentlich nachtreten oder das letzte Stückchen schieben. Auch wenn es anstrengend ist, macht es irgendwie Spaß, diese wellenförmige, raupenartige Straße entlang zu radeln.

Ziemlich erschöpft kommen wir auch heute bei der Herberge an und sind nun auch in der Region Andalusien. Die Herberge hat eine sehr familiäre Atmosphäre und unsere Fahrräder stehen hier quasi mitten im Esszimmer. Überall stehen und hängen Familienfotos herum. Alles ist etwas kitschig dekoriert. Die Großmutter sitzt im Wohnzimmer und schaut fern, der Enkel kümmert sich um uns. Später kommt noch die Mama dazu und unterhält sich interessiert mit uns, während ich den Yorkshire Terrier Tobi streichle. Auch im Dorf ist man uns überall wohlgesonnen und sehr aufgeschlossen. Das mediterrane Klima ist angenehm und wir werden immer entspannter. Nicht zuletzt weil wir morgen nach Sevilla kommen und dort einen Tag Pause auf uns wartet.

Abwärts!
Das „Ufo“ ist eine Kirche.
Neues Leben
Immer wieder neue Blumen.
Eingang zur Herberge.
An den Anfang scrollen
Suche