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Von Santiago zum Nordkap:Tag 141 – Kempele – Oulu ca. 10 km/7754 km
Feste Bremsen & Johannus
Das traditionelle „Johannus“ (Mittsommer), das wichtigste Fest des Sommers, findet immer am Wochenende zwischen dem 20. und 26. Juni statt.
Ein alter Brauch bzw. Aberglaube besagt, dass man den Ertrag der Ernte erhöhen kann, indem man viel lärmt und trinkt. So war es vielleicht nicht die beste Idee, sich in diesen Tagen an einem Strand zum Schlafen zu platzieren. In dieser Nacht kommen mehrfach Mopeds angeknattert, drehen einmal voll auf, wenden auf dem Parkplatz direkt hinter uns und verschwinden wieder mit Vollgas, sodass man sie noch kilometerweit hört. Um 4 Uhr morgens werden wir dann – trotz Ohrstöpsel! – von sehr lauter Musik geweckt. Jemand ist mit seinem Auto an den Strand gefahren und hat die – zugegeben ganz coole – Musik so laut aufgedreht, dass wir im Zelt sogar den Bass spüren, wie in der Disco. Ich habe tatsächlich Lust zu tanzen, obwohl ich totmüde bin. Josi ist einfach nur müde-genervt davon. Zum Glück hält dieses Szenario nicht allzu lange an und wir können weiter schlafen. Erst gegen 9 Uhr werden wir richtig wach.
Ganz entspannt können wir vor unserem Zelt sitzen und unser Frühstück genießen. Um uns herum ist schon reges Treiben. Einige Leute schwimmen, andere spielen Frisbee auf „unserer“ Wiese und Spaziergänger*innen kommen vorbei. Wir scheinen dazwischen nicht besonders aufzufallen. Die Luft wird immer dicker und ein Gewitter ist für den Nachmittag angekündigt. Einen Plan haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie wir damit umgehen wollen.
Zuerst steuern wir ein Fahrradgeschäft an, um unsere Räder checken zu lassen. Die Ketten hängen schon ordentlich durch. Die knapp 10 km dorthin sind mächtig anstrengend und der starke Wind kommt direkt von vorne. In dem Geschäft begrüßt uns ein Mann in unserem Alter und nimmt sich unserer Räder sofort an. Wahrscheinlich ist das nur möglich, weil wir momentan die einzigen Kunden sind. An meinem Fahrrad stellt er fest, dass die Hinterradbremse fest ist und permanent leicht gebremst hat. Und ich wundere mich über Muskelkater! Bei Josis Rad muss tatsächlich schon die Kette ausgewechselt werden. Vielleicht hat sie eine „Montagskette“ erwischt…
Der sympathische, junge Mann macht uns einen super Spottpreis für seine Arbeit und wir sind darüber sehr dankbar. Außerdem hat er seinen Job überaus gewissenhaft gemacht, dass wir jetzt mit einem guten Gefühl weiterradeln können.
Anschließend geht es zum Einkaufen in einen Laden, in dem wir bisher noch nicht waren. Prisma. Ein riesiger Einkaufsmarkt, mit einem absolut übertriebenen, erschlagenden Angebot. In der Brotabteilung bin ich einfach komplett überfordert und frage mich, was es bringt, geschätzte 1000 verschiedene Brotsorten anzubieten. Genauso zieht es sich natürlich durch alle anderen Abteilungen in diesem Laden, aber die Brotabteilung war nicht mehr normal! Wir wundern uns auch über die vielen Menschen, die dort einkaufen. Später erfahren wir, dass morgen (Freitag) ein Feiertag ist und an diesem Wochenende offiziell das Mittsommerfest gefeiert wird. Am liebsten im Kreise der Familie, im Sommerhaus am See, mit gutem Essen und Trinken, Sauna und Feuer.
Nachdem wir den Einkauf verstaut haben, gegen wir in dem Einkaufszentrum Mittag essen, denn wir haben einen Laden mit vielen veganen Gerichten entdeckt. Wir haben immer noch keinen Plan, wo wir heute unterkommen können, und recherchieren nach dem Essen. Die Warmshowers-Möglichkeiten sind alle gestrichen. Die Hostels sind audgebucht oder haben geschlossen wegen Mittsommer. Immer wieder der kontrollierende Blick in alle Wetterapps. Gewitter für heute und Regen für die nächsten 2 Tage. Durch Zufall entdecken wir ein Last Minute Angebot bei Airbnb und es klappt auf Anhieb. Wir bekommen sogar sofort eine Antwort und den Code für die Eingangstür. Das heißt, wir können direkt dort hinfahren und entgehen hoffentlich dem Gewitter. Geschafft! Das Appartement befindet sich im 6. Stock. Zum Glück gibt es einen Aufzug. Sogar eine Fahrradgarage gibt es. In der sehr sauberen, hellen 1-Zimmer-Wohnung ist eine kleine Küche und sogar eine Waschmaschine. Das ist ein echter Glücksgriff!!! Von hier oben haben wir einen gemütlichen Blick über die Stadt und ausnahmsweise mal keine Mücken. 😉
Das Gewitter hat sich inzwischen verzogen und hat sich scheinbar woanders ausgetobt. Für morgen ist immer noch den ganzen Tag Regen vorhergesagt. Dann werden wir froh sein, zwei Nächte gebucht zu haben. Und mein Muskelkater kann sich auch entspannen.