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Etappe 10: Portugalete – Castro Urdiales ca. 28,8 km

Knapp dem Tod entronnen.

Kaffeeduft steigt mir in die Nase. Ich öffne die Augen. Es ist noch dunkel im Zimmer. 6:15 Uhr. Leise krabbel ich aus meinem Bett, um meinen Rucksack aus dem abschließbaren Metallschrank zu holen. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber es ist trotzdem unmöglich, diesen Akt lautlos durchzuführen. Spätestens jetzt sind alle anderen im Zimmer auch wach. Viele Pilger*innen aus den anderen Zimmern sind schon auf den Beinen und es herrscht reges Treiben im Aufenthaltsraum. Jede/r bekommt ein liebevoll bereitetes Frühstück. Wir unterhalten uns mit einem deutschen Pilger, der erzählt, dass er heute bis nach Castro Urdiales gehen will. ,,Wow, da hast du dir aber was vorgenommen“, antworten wir bewundernd. Wir hätten nicht gedacht, dass wir es heute genauso weit schaffen!

Gut gestärkt und voller Energie geht es los, denn wir haben ausgezeichnet geschlafen! Deshalb stört es uns auch nicht, dass wir uns anfangs mal wieder verlaufen. In den Städten ist es wirklich eine Herausforderung, die Markierungen zu finden. Irgendwann haben wir es aus der Stadt geschafft und es geht über und neben der Autobahn entlang. Nach ein paar Stunden kommen wir endlich wieder in die Natur. Aufatmen. Stille. Kurz darauf eröffnet sich nach 3 Tagen endlich wieder der Atlantik vor uns. Ein grandioser Anblick.

Von Pobeña aus, geht es auf dem Panoramaweg bis nach Onton. Dieser Abschnitt ist, wie ich finde, einer der schönsten auf dem Küstenweg. Leider ist heute Sonntag und schönes Wetter, so dass es zugeht, wie auf dem Mount Everest. Man kann schon fast von Menschenmassen sprechen. Am Ende des Panoramawegs erreichen wir einen Parkplatz. Das erklärt auch den Tourismus auf dem Weg. Plötzlich höre ich über uns etwas rascheln. Ich schaue nach oben und sehe, wie eine riesige Tannenzapfe direkt vor Nici auf den Boden knallt. ,,Da bist du ja knapp dem Tod entronnen „, rufe ich ihr zu. Ein Mann lacht über die Situation.

Kurz darauf erreichen wir den Übergang nach Kantabrien. In Onton machen wir eine ausgiebige Pause an einer Quelle. Wir baden unsere müden Füße im kalten Wasser und entscheiden uns dann, doch noch weiter zu laufen. Es geht zwar weiter an der Küste entlang, aber dafür auch an der Hauptstraße. Es ist mäßiger Verkehr. Ein Motorradfahrer fährt viel zu dicht an Nici vorbei, so dass sie wieder ,, knapp dem Tod entronnen“ ist.

Die Aussicht ist spektakulärer, aber das Gehen fällt schwerer und schwerer. Mit letzter Kraft erreichen wir einen fast 400m langen Tunnel, mitten im Nirgendwo. Der Wind pfeift hindurch und es ist feucht, kühl und unheimlich darin. Wir gehen nochmal schneller, denn wir wollen nur noch ankommen. Endlich – Castro Urdiales! Wir versuchen die Aussicht und Atmosphäre an der Promenade zu genießen, aber es gelingt uns nur mäßig. So schön und spannend dieser Tag auch war, umso froher sind wir, endlich angekommen zu sein!

Erkenntnis des Tages: Man könnte meinen, der Jakobsweg sei ein Spaziergang oder Urlaub. – Ist er aber nicht.

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