Überspringen zu Hauptinhalt

Etappe 19: Oyambre – Unquera ca. 22 km

Falscher Fufziger und eine Kirsche?

Wir erwachen in einer Tropfsteinhöhle. Die Scheiben sind beschlagen, es ist alles klamm und kalt. Die Wäsche ist bei diesem Klima über Nacht nicht ansatzweise trocken geworden. Der Himmel ist bewölkt und unsere Mägen knurren. Gestern gab es zum Abendessen nur ein trockenes Stückchen Brot und ein paar Nüsse. Zum Frühstück haben wir noch zwei Stückchen Brot mit etwas Guacamole, zwei Powerriegel von zuhause und eine Orange. Alles wird feierlich aufgeteilt.

Bevor wir losgehen, verpacken wir uns und unsere Rucksäcke sicherheitshalber regegenfest. Noch ist es trocken,  aber hier kann das Wetter in nullkommanichts umschlagen. Das tut es auch. Sobald wir nach zwei Kilometern den Strand erreichen, zeigt sich die Sonne ganz entgegen der Wettervorhersage. Wir freuen uns darüber und erst recht ich bin sehr dankbar über die Wärme. Ich erwische mich dabei, dass ich in einen inneren Nörgelmodus verfallen bin. ,,Es ist zu kalt, es ist zu nass, ich habe Hunger, was soll das eigentlich alles hier, mimimi….“ Dann sehe ich Nici, die mit offenen Stellen von ihren Blasen an den Füßen quietschfidel am Strand entlang läuft und sich an der Natur erfreut. Sie singt und tanzt sogar manchmal beim Laufen. Ok, ich nehme mir ein Beispiel.

Nach 4 km erreichen wir ein Café und bekommen dort ein zweites Frühstück und Kaffee. Jetzt ist auch meine Welt wieder in Ordnung! Ich bezahle das Frühstück mit einem 50 € Schein und die Wirtin schiebt diesen Schein mehrfach durch ein Prüfgerät und jedes Mal piept es. Ist er etwa unecht? Dann hält sie den Schein sogar gegen das Licht, um zu schauen, ob er echt ist. Dann nochmal durch das Gerät. Jetzt hat es geklappt. Ich schnaufe erleichtert. Die Wirtin und die Gäste, die das Szenario beobachtet haben, müssen lachen.

Gut gestärkt überqueren wir anschließend die hübsche 500 m lange Brücke von San Vicente. In einem Supermarkt decken wir uns neu mit Verpflegung ein. Nachdem wir bezahlt haben und unsere Sachen hinter der Kasse verstauen, sehe ich in einem abgestellten, unbenutzten Einkaufskorb eine einzige knall rote Kirsche. Die ist wohl versehentlich zurückgeblieben. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Nachdem ich mich 5 x zu meinem Rucksack runtergebeugt habe und mich immer wieder diese Kirsche anstrahlt, schnappe ich sie mir. Draußen vor der Tür des Ladens biete ich Nici die Kirsche an. Sie sagt: ,,Teilen?“ ,,Ok“. Die Kirsche schmeckt sehr sauer…..

Kaum haben wir uns wieder schön verpackt, hört es wieder auf zu regnen. Es ist ein regelrechtes April Wetter heute. Den ganzen Tag über geht es so: Regencapes an, Regencapes aus, Jacke an, Jacke wieder aus, an, aus, an, aus, warm, kalt, nass, Wind, Sonne……Puh! Kurz vor einem richtigen Regenguss erreichen wir ein Restaurant für unsere Mittagspause. Was für ein Glück!

Plötzlich sehen wir am Straßenrand im Gras eine Pilgerin liegen. Ich gehe vorsichtig ein paar Schritte hin. Nici fragt, ob sie noch atmet. Ich schau genau hin. Ja, zum Glück. Sie hat sich scheinbar nur zum Ausruhen dort hingelegt. Kurze Zeit später werden wir von Lotta, einer jungen Pilgerin, der wir schon öfter begegnet sind, überholt. Es stellt sich heraus, dass sie diejenige war, die dort am Wegesrand geschlafen hat. Wir erzählen ihr, dass wir uns Sorgen um sie gemacht haben und müssen alle über diese Situation lachen.

Am späten Nachmittag erreichen wir unser Ziel und peilen die ausgewählte Herberge an. Leider ist sie nicht zu finden. Es fängt wieder an zu regnen. Dann stehen wir platschnass vor einer Art Pension. Während wir noch versuchen herauszufinden, auf welchen Klingelknopf wir drücken müssen und ob das überhaupt richtig ist, hält eine Frau in einem Auto neben uns und fragt, ob wir ein Zimmer wollen. Wir bejahen und sie zeigt uns ein riesiges Appartement für 80 €. Das ist uns dann doch zu teuer und zu groß. In diesem Moment, in unserer Situation einfach unverhältnismäßig. Wir lehnen dankend ab und sie erklärt uns freundlicherweise den Weg zur nächsten Herberge, in der wir dann auch unter kommen. Auf der Suche nach einem für uns geeigneten Abendessen, laufen wir nochmal kreuz und quer durch die Stadt. Rüber nach Asturien, dann wieder zurück nach Kantabrien usw….irgendwie muss man die Kilometer ja zusammen kriegen. Zum guten Abschluss finden wir eine Pizzeria und schlagen uns die Bäuche voll. Scheinbar haben wir noch Nachholbedarf von gestern.

Erkenntnis des Tages: Gute Laune ist eine Frage der Perspektive.

Brücke nach San Vicente
Achtung Pilgwr*innen
Brücke von Kantabrien nach Asturien
Auf der Suche nach Abendessen
Frühstück

Abendessen!

An den Anfang scrollen
Suche