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Etappe 32: Lluarca – Navia ca. 21 km

Gemischte Gefühle

Sehr früh am Morgen geht das Geraschel wieder los und der Mann, der im Bett über Nici geschlafen hat, beschallt um 6 Uhr den ganzen Schlafraum mit seinem Weckerklingeln. Ok. Spätestens jetzt ist die Nacht wirklich vorbei! Nici hat auch kaum ein Auge zu gekriegt, da dieser Mensch auch noch unglaublich laut geschnarcht hat. Sie ist davon völlig fertig und hat über Nacht die Entscheidung getroffen, den Bus nach Ribadeo zu nehmen und dort zwei Tage Pause zu machen. Mein erster Gedanke ist: Das ist eine sehr gute Entscheidung!

Wir packen unsere Sachen zusammen und freuen uns auf einen Kaffee im Aufenthaltsraum der Herberge, doch der Kaffeeautomat ist kaputt. Auch das noch…. Die beiden Franks sind natürlich auch schon wach und so begleitet uns der Frank aus Kopenhagen in eine Bar zum Frühstück. Wir haben wieder interessante Gespräche und er zeigt uns Fotos von seiner Familie. Er möchte auch ein Stück mit dem Bus fahren und so lasse ich die beiden nach der Verabschiedung gemeinsam zurück, um heute alleine auf dem Camino zu gehen.

Die ersten Meter bin ich noch damit beschäftigt, die Muschelzeichen und Pfeile zu suchen. Am Anfang geht es dann wieder steil bergauf, doch als ich entspannt durch die Felder und Streusiedlungen gehe, finden gemischte Gefühle ihren Platz. Einerseits sind meine Gedanken bei Nici und ich kann mir schon vorstellen, wie sie sich fühlt, diese ,,Zwangspause“ einlegen zu müssen. Außerdem ist es auch komisch, nach so langer gemeinsamer Zeit alleine zu gehen. Doch andererseits werden auch schöne Erinnerungen an meinen ersten Camino wach, den ich vor drei Jahren alleine gegangen bin. Zum Trost kommt auch die Sonne langsam raus und ich kann mich mehr und mehr mit der neuen Situation anfreunden.

Es gibt wieder vieles am Wegesrand zu entdecken und irgendwann erreiche ich eine Wasserstelle, bei der auch eine Bank und ein Tisch steht. Während ich genüsslich, in der Sonne sitzend, meinen Bohneneintopf aus der Dose verzehre, beobachte ich zwei Pilger, die aufgeregt beim gegenüberliegenden Haus klingeln. Ich habe die beiden schon einmal getroffen und frage, was los ist. Sie erzählen, dass ein kleines Kalb auf der Straße läuft. Eine fast dramatische ,,Rettungaktion“ startet. Auf das Klingeln am Haus hat niemand reagiert und das Kälbchen will sich natürlich nicht so einfach einfangen lassen. Es geht kreuz und quer. Irgendwann hat die Pilgerin das Kleine gefangen und begleitet es behutsam auf die Wiese zurück, wo auch die großen Kühe stehen. Der andere Pilger verschließt das Tor gewissenhaft und das Kälbchen steht noch etwas bedröppelt hinter dem Zaun und schaut uns hinterher.

Mit einem guten Gefühl kann es weiter gehen. Als ich an einer Bar vorbei komme, in der 6 Pilger*innen auf der Terrasse sitzen, heben sie alle gleichzeitig den Arm zum Gruß, als ich vorbei laufe. Ein lustiges Bild. Am frühen Nachmittag erreiche ich eine sehr gepflegte Herberge mit einem sehr bemühten Herbergsvater und fühle mich hier sofort gut aufgehoben. Die Atmosphäre ist entspannt und nach dem Einkaufen treffe ich sogar Jessica aus US und Claudia aus Rottweil wieder. Wir essen gemeinsam zu Abend und tauschen uns aus. Jessica erzählt ein wenig von den drei Trails (Appalachian Trail, Pcific Crest Trail und Continental Divide Trail) in den USA, weil ich sie danach gefragt habe. Da ich bisher einiges über die ,,Triple Crown of hiking“ gelesen habe, ist das ein sehr spannendes Thema für mich.

Erkenntnis des Tages: Zeit allein kann auch schön sein.

Lluarca
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