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Etappe 36: Abadín – Vilalba ca. 21 km

Besondere Begegnungen und Musik.

Zum Frühstück begegnen wir uns alle wieder im Aufenthaltsraum. Es herrscht eine entspannte Stimmung, denn eine 21 km Etappe fühlt sich inzwischen wie eine kurze Etappe an. Ich gehe als Erste los und werde im Laufe des Tages von allen anderen überholt.

Dafür treffe ich kurz nach dem Start auf einen sehr hageren Franzosen. Seine Hose, die bestimmt drei Nummern zu groß ist, hängt und schlackert an ihm herum. Vorsichtig kommen wir ins Gespräch und versuchen es auf ,,Frenglisch“. Interessanterweise verstehen wir uns gegenseitig zu 90 %. Wie immer auf dem Camino, stellen wir uns gegenseitig die erste Frage: Wo hast du deinen Camino begonnen? Seine Antwort ist: ,,In Le Mont Saint Michel.“ Ich bin schwer beeindruckt und sogar etwas gerührt! Das bedeutet, dass er bereits fast 2000 km zu Fuß hinter sich hat und das in knapp 70 Tagen. Ich möchte mehr wissen und frage ihn nach seinem Grund für diese lange Pilgerreise. Er erzählt mir, dass seine Mutter vor 8 Monaten gestorben sei und ihr,,letzter Gang“ war zum Le Mont Saint Michel. Deshalb war das sein Startpunkt. Dann möchte ich von ihm wissen, wie es sich jetzt anfühlt, so kurz vor dem Ziel. Es fällt ihm schwer, diese Frage zu beantworten und er sagt, dass der Camino für ihn Magie sei, dass sein Schutzengel ihn die ganze Zeit begleitet und geleitet hat und dass er sich sicher ist, dass dieser Schutzengel seine Mutter ist. Ein kurzer Moment der Stille entsteht und mir schießen die Tränen in die Augen. Dann sehen wir ein Schild mit einer großen Kaffeetasse und einem Hinweis zu einer Bar. Wir biegen dorthin ab und gönnen uns ein zweites Frühstück. Diese Bar ist ein regelrechter Pilgerhotspot und ich sehe viele bekannte Gesichter. Alle sind sehr gut gelaunt und überschwenglich. Ich habe den Eindruck, dass das eine typische Stimmung so kurz vor dem Ziel ist. Nach der Pause gehen der Franzose und ich getrennt weiter. Leider sehe ich ihn heute auch nicht mehr wieder.

An einer Versorgungsstation, bei der jemand von privat Obst, Wanderstöcke, Jakobsmuscheln, Wasser und Käse zur Verfügung stellt, begegne ich einem sehr großen, frei laufenden Schäferhund. Ich halte inne und er kommt durekt auf mich zu. Ich befürchte Schlimmes, doch er kuschelt sich tatsächlich an mich. Ich streichel ihn und er lehnt sich richtig doll an meine Beine. Offensichtlich gefällt ihm das. Als ich aufhöre, legt er sich entspannt vor mich ins Gras. Dann mache ich noch ein Selfi von uns und gehe weiter.

Der Rest der heutigen Etappe ist landschaftlich nicht mehr so schön, da es durch den langgezogenen Vorort an einer Hauptstraße entlang geht. Ich treffe Ruth (mit ihrem Klapprad) und ihren Mann wieder, die lenken mich ein wenig von der Umgebung ab.

In der Herberge angekommen, treffe ich viele bekannte und neue Gesichter. Frank, Ariane, Johann und Marion kenne ich ja bereits und ich darf Uli und Maria neu kennenlernen. Am Abend kochen wir sogar zusammen. Zu unserer aller Überraschung, spielt der Hosteliero auf seiner Gitarre ein paar Lieder und singt dazu. Da es bekannte Melodien sind, stimmen wir alle mit ein und es ergibt sich sogar ein mehrstimmiger Gesang. Ganz beseelt von diesem wunderschönen Tag, gehe ich heute schlafen.

Erkenntnis des Tages: Der Camino lehrt uns die Einfachheit des Lebens.

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