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Etappe 40: Salceda – Santiago de Compostela ca. 30 km und mehr…

Dramatischer Start, Völkerwanderung, Ankommen

Da mir die halbe Nacht drei Mücken um die Ohren schwirren, bin ich sogar schon vor dem Wecker wach. Ein letztes Mal: Katzenwäsche, Füße salben, Sachen packen und los. Unten in der Küche treffe ich den Hosteliero. Er fragt, ob ich heute nach Santiago gehe. Ich antworte: ,,Sí.“ Er sagt, er fährt jetzt mit dem Auto dorthin, zur Arbeit. Einen flüchtigen Moment denke ich:,,Er könnte mich auch mitnehmen.“ Natürlich nur im Scherz. Dann stapfe ich in der Dunkelheit los. Es ist 5:30 Uhr. Heute soll es wieder sehr heiß werden, da nutze ich gerne die kühlen Morgenstunden.

Euphorisch gehe ich also los und sehe den wunderschönen Vollmond. Ich halte an, um ein Foto zu machen. Plötzlich ist mir ganz schlecht und ich muss mich, wie aus dem Nichts, übergeben. Gedanken schießen mir durch den Kopf.  War es gestern doch zu viel Hitze, muss ich jetzt Pause machen oder war das Leitungswasser nicht gut? Mir fällt ein, dass das Wasser heute Morgen anders gerochen hat, als sonst. Ich habe mir zwei Vitamintabletten rein getan und einen großen Hub genommen, da ich kein Frühstück mehr habe. Vorsichtig gehe ich weiter. Mein Magen scheint sich aber wieder beruhigt zu haben. Auf einmal höre ich Schritte in der Dunkelheit hinter mir. Ich drehe mich um und leuchte mit meiner Taschenlampen App. Ein Pilger- klar. In den ersten zwei Stunden bin ich ansonsten alleine unterwegs. Nach meiner Frühstückspause, füllt sich der Camino mehr und mehr. Die reinste Völkerwanderung. Ich sehe humpelnde Pilger*innen,  welche, die auf Flipflops oder Wandersandalen gehen und ihre Wanderschuhe am Rucksack hängen haben.  Junge Leute mit lauter Musik und einen Mann, der riesige Blasen unter dem Fuß hat. Hier trifft sich jung und alt, reich und arm, fit und unfit und vor allem, die ganze Welt.

Es wird zunehmend heißer und mühsamer. Das letzte Stück durch Santiago ist auch nicht besonders schön, dafür aber besonders laut! Diesen Verkehr ist man ja gar nicht mehr gewohnt. Ziemlich erschöpft erreiche ich die Innenstadt. Plötzlich ruft jemand meinen Namen. Ich drehe mich um und sehe Lotta, aus Hamburg, in einem Café mit zwei anderen Pilgern. Sie wünschen mir alle drei gutes Ankommen. Kurz darauf ist es endlich soweit. Ich höre wieder die Dudelsackklänge und gehe durch den Torbogen auf den Platz. Dieses Mal gibt es keine überschwappenden Emotionen. Es ist vielmehr, wie ein nach Hause kommen. Ich bin ganz ruhig und entspannt und lasse die Atmosphäre eine Weile auf mich wirken, bevor ich mich um die Rückreise kümmere. Im Hintergrund schwingt jedoch die ganze Zeit ein: Das habe ich mir eigentlich anders gewünscht und vorgestellt.

Nachdem ich bei 32 Grad zuerst zum Bahnhof und danach in die entgegengesetzte Richtung, zu meiner Backpack-Hipie-Herberge gelaufen bin, reicht es auch erstmal mit dem Gelatsche. Im Garten der Unterkunft erzählt mir ein englischer Pilger von zwei Gruselgeschichten, die sich vor 5 Jahren auf dem Frances abgespielt haben sollen. Ich bin froh, dass ich diese Geschichten nicht heute Morgen schon kannte, als ich in der Dunkelheit unterwegs war!

Am Abend gehe ich aber doch noch mal in die Stadt und lasse die Stimmung auf mich wirken.

Erkenntnis des Tages: Ich fühle mich erleichtert und erfüllt zugleich.

Die letzten 10 Kilometer.
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