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Etappe 60

Alte Brücke Vor Santiago

Abadín – Friol ca. 55 km

Tag der Kontraste

In der Herberge wird es früh laut und unruhig, so dass wir auch zeitig aufstehen. Dort, wo unsere Räder stehen, ist eine riesige Pinnwand von der ganzen Welt, wo alle Pilger einen farbigen Puker in ihr Herkunftsland stecken können. Auch wir hinterlassen dort einen Roten.

Pilger aus aller Welt

Anfangs sind wir heute wieder auf dem Camino und sehen die Wegweiser mit Muschel, Pfeil und Kilometerangaben. Es macht Spaß, zu beobachten, wie es immer weniger Kilometer werden, je näher wir unserem Ziel kommen.

Camino de Santiago

Leider verpassen wir den ,,berühmten“ Stein mit der 99,9 km Marke, weil wir irgendwann den Weg verlassen, um sicher zu gehen, dass wir auf asphaltierten Straßen fahren können.

Die Füße sind trocken geblieben.

An einer sehr alten Brücke, noch auf dem Weg, begegnen wir einem Künstler, der dort seinen selbstgemachten Schmuck verkauft. Es ist immer noch derselbe, den ich dort vor 2 Jahren schon gesehen habe. Damals bin ich nicht angehalten, aber heute schlage ich zu und kaufe mir einen neuen Glücksbringer. Eine Jakobsmuschel aus Holz geschnitzt. Während wir uns noch mit ihm unterhalten, gesellen sich noch 2 ältere Pilgerinnen dazu und wir tauschen uns aus und machen ein gemeinsames Foto. Beim Anblick der beiden Damen muss ich an Omi denken, die wohl auch schon um die 70 J. war, als sie den Camino Francais gegangen ist.

alte Brücke vor Santiago

Weiter geht’s auf schönen Wegen, bis wir hungrig eine kleine Bar erreichen. Die 3 Betreiber (ein Mann und 2 Frauen) begrüßen uns herzlich und erklären uns, dass sie kein Restaurant sind, aber Salat und Pommes könnten sie uns anbieten. Wir sind zufrieden. Die eine Frau verschwindet mit einem Messer im Garten und kommt kurz darauf mit einem Salatkopf wieder. Wir bekommen einen leckeren Salat mit lauter Zutaten aus dem Garten. Selbst die Kartoffeln für die Pommes sind aus dem eigenen Garten. Schnell haben wir alles weggeputzt und sie fragen, ob wir mehr möchten. Was für eine Frage – hihi. Die Frau verschwindet wieder mit dem Messer im Garten. In der Zwischenzeit bringt der Wirt noch eingelegte Paprika und die andere Frau kommt mit Champignons aus der Dose. Dann kommt der zweite Salat, die zweite Portion Pommes und Oliven. Als wir kurz darauf alles aufgegessen haben, fragen sie, ob wir noch mehr möchten und wir bestellen nochmal einen Salat. Die Frau verschwindet mit ihrem Messer und kommt kurz darauf mit dem 3. Salatkopf wieder rein. Zum krönenden Abschluss bekommen wir einen echt galicischen Kaffee und sollen für alles nur 15 € bezahlen. Das können gar wir nicht richtig akzeptieren und geben 20 €. Daraufhin bekommen wir NOCH einen Kaffee. Tja, wir dürfen schon wieder annehmen lernen.

Gaben der Natur am Wegesrand
Bar mit guten Seelen

So, und ab hier wurde es heute etwas anstrengend. Dieses Mal aber nicht wegen des Höhenprofils, sondern wegen mehrfacher ,,Hundeangriffe“ von riesigen Hunden, die plötzlich von den Grundstücken auf uns zu schießen, laut bellend und knurrend hinter uns her rennen. Ich habe insgesamt 5 x gezählt und bin dadurch heute ziemlich gut von meiner Angst vor Hunden therapiert worden. Zum Glück ist alles gut gegangen und ich habe mir auch nicht in die Hose gemacht, aber zitterige Beine und Schweißausbrüche hatte ich schon! Zusätzlich wurden wir bei jedem zweiten Haus von aufgebrachten großen Hunden, die an der Kette lagen, angebellt, als würden sie uns direkt zerfleischen, wenn die Kette jetzt reißt. Wir wundern uns sehr über diese Häufigkeit an nur einem Tag. Irgendwann haben wir es wohl verstanden. Wir sollen hier nicht sein, der offizielle Camino ist UNSER Weg.

Neben Sonne und Regen, Wärme und Kälte, Freude und Frust, sich gut aufgehoben fühlen und vertrieben fühlen, geraten wir auch noch in einen Wald und kommen nicht weiter, da vier Bäume quer über dem Weg liegen. Nachdem wir dann wieder mal unsere Räder durch das Nirgendwo schieben, ist es klar: Ab morgen fahren wir nur noch auf dem Camino und folgen den Zeichen!

Erkenntnis des Tages: Manchmal ist es besser auf sein(d)em Weg zu bleiben.

Umgestürtzte Bäume im Nirgendwo
Höhenprofil der gestrigen letzten 15 km
Höhenprofile von heute.
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